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Dr. Isabelle van Groeningen: Gartenkultur in England und Deutschland

Foto: Van Groeningen/BGL

Dr. Isabelle van Groeningen erwarb nach Lehrjahren in Wisley (GB) das „Kew Diploma" und sammelte Berufserfahrung in Belgien, Kanada und den Niederlanden. Nach drei Jahren als Gartenberaterin beim National Trust begann sie ein Studium an der Universität York und promovierte dort zur „Entwicklung der Staudenverwendung in England und Deutschland seit dem 19. Jahrhundert".

Sie ist international anerkannt als Spezialistin für die Gestaltung und Restaurierung von Staudenpflanzungen. Seit 2008 betreibt sie gemeinsam mit Gabriella Pape das Planungsbüro, die Gartenschule und das Gartencenter an der Königlichen Gartenakademie in Berlin.

Frau van Groeningen, Sie haben umfangreiche Gartenerfahrung in Ländern gesammelt, die für ihre Gartenkultur berühmt sind. Was zeichnet deutsche Gartenkultur aus - gern auch im Vergleich zu Großbritannien?
van Groeningen:
Die Deutschen sind oft zu unsicher und schauen sich ständig über die Schulter, da sie meinen, dass andere besser sind und sie bestimmt etwas falsch machen, dabei hat Deutschland auch eine wunderbare Gartenkultur. Deutschland hat genau wie die Niederlande und Großbritannien großartige Garten-Promis mit internationalem Standing: Karl Foerster, Georg Ahrends und Richard Hansen sind einige Namen, deren Arbeit auch in anderen Ländern bekannt und geschätzt war und ist. Vielen ist vermutlich nicht bewusst, dass zum Beispiel Cassian Schmidts führende Arbeit im Hermannshof in Weinheim international ganz genau verfolgt wird. Foerster, Hansen und deren Zeitgenossen haben das Fundament gelegt für das standortgerechte Pflanzen, das genau jetzt so wichtig ist. Cassian ist nicht der Einzige der die Möglichkeit hat, Pflanzen in ihren unterschiedlichsten Habitaten zu beobachten, aber er ist einer der wenigen, der diese Erfahrungen für uns verständlich „übersetzt", so dass wir alle davon lernen können.

Foto: Van Groeningen/BGL. - Van Groeningen: "Deutsche GärtnerInnen müssen noch lernen anderen Gartenliebhabern ihre Pforten zu öffnen. Bei jedem Gartenbesuch lernt man etwas Neues. Die Begegnungen mit anderen GartenliebhaberInnen, ob Profis oder Amateure, sind immer eine Bereicherung."

Die Briten sind geprägt von Gertrude Jekyll, für die der ästhetische Effekt im Vordergrund stand. Form, Farbe und Struktur waren das Wichtigste. Eine Pflanze wurde ausgesucht wegen ihrer Blüte. Spätestens im Herbst wurde dann alles runtergesäbelt, sodass die Winterstruktur völlig irrelevant war. Obwohl sich das seit den achtziger Jahren geändert hat, gibt es immer noch GärtnerInnen, für die es nur mit herbstlichem Kahlschlag geht. Was die standortgerechte Pflanzenwahl angeht: Die Lichtbedingungen werden beachtet, aber die Böden werden angepasst - hier wird ein wenig mehr Kompost oder Mist eingearbeitet, dort Sand und Kies, um den Pflanzen das zu geben, was sie brauchen.

Die BritInnen gärtnern mit ihrem Herzen, die Deutschen mit ihrem Verstand, was gerade jetzt der richtige Weg zu sein scheint. Deutsche GärtnerInnen müssen nur noch lernen anderen Gartenliebhabern zu vertrauen und ihre Pforten zu öffnen. Bei jedem Gartenbesuch lernt man etwas Neues, sowohl Gutes als auch Schlechtes. Die Begegnungen mit anderen GartenliebhaberInnen, ob Profis oder Amateure, sind immer eine Bereicherung und das haben die BritInnen schon lange für sich entdeckt.

Wie ist Ihre Erfahrung hinsichtlich des Garten- und Pflanzenwissens von jungen Menschen heute? Gibt es eine Entwicklung hin zu mehr Interesse an Vielfalt?
van Groeningen:
Wir haben das große Glück, an der Gartenakademie immer wieder wunderbare begeisterte Lehrlinge und PraktikantInnen zu haben. Das macht mir unheimlich viel Mut für die Zukunft in unserem schönen Beruf. Aber auch in unserer Kundschaft haben wir über die Jahre bemerkt, dass unsere KundInnen immer jünger werden. Im Jahr 2008, als wir angefangen haben, hatten wir ein Publikum, das größtenteils über 50 war. Heutzutage arbeiten wir immer mehr für Familien, aber auch junge, alleinstehende Leute, die eine Lösung für Balkon oder Terrasse suchen, oder sogar eine Laube haben. Genau die sind interessiert an dem Ungewöhnlichen, Speziellen. Ältere Leute bevorzugen öfter das Familiäre, Vertraute.

Foto: Van Groeningen/BGL. - Standortgerechte Stauden und Gräser bringen Farbe und Struktur in Bereiche, die zuvor noch großflächige Rasenabschnitte gewesen sind.

Wie bewerten Sie die Bedeutung von Gartenpflege: Wollen die Menschen immer noch pflegeleichte Gärten oder liegt eher die praktische Betätigung im Garten im Trend?
van Groeningen:
Pflegeleicht ist immer noch beliebt, aber dank Corona haben doch viele für sich entdeckt, dass das Gärtnern auch einen guten vielfältigen Weg bietet, um sich regelmäßig zu bewegen, und das in einer schönen, erholsamen Umgebung.

Erwarten nach Ihrer Erfahrung die GartenbesitzerInnen eine fertige Lösung oder wollen sie auch in der Planung beteiligt werden und gemeinsam mit Ihnen ein Gartenkonzept entwickeln?
van Groeningen:
Die meisten KundInnen sind sehr engagiert. Es ist nur selten, dass jemand kommt und sagt „Machen Sie mal", gefolgt von meinem Lieblingssatz: „Der Hausmeister pflegt".

Foto: Van Groeningen/BGL. - Van Groeningen: "Die Briten sind geprägt von Gertrude Jekyll, für die der ästhetische Effekt im Vordergrund stand. Eine Pflanze wurde ausgesucht wegen ihrer Blüte. Spätestens im Herbst wurde dann alles runtergesäbelt, sodass die Winterstruktur völlig irrelevant war."

Wir verlangen von unseren DesignkundInnen ein Storyboard. Sie sollen sich mit der Bildersuche beschäftigen, sowohl zeigen, was gefällt, aber auch, was sie nicht mögen. Nicht nur, weil das für uns ein ideales Kommunikationsmittel ist, um zu verstehen, wie KundInnen sich ihren Garten vorstellen; es zwingt sie auch, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und sich viel enger in das Projekt einzubinden. Auch wenn viele später den Garten hauptsächlich von einer Landschaftsgärtnerin oder einem Landschaftsgärtner pflegen lassen, bleiben sie viel stärker involviert. Aber nicht jede/r braucht eine komplett neue Gartengestaltung. Wir bieten auch Eins-zu-Eins-Beratung an, was sehr beliebt ist, besonders wenn es um Bepflanzung geht.

Foto: Van Groeningen/BGL. - Dr. Isabelle van Groeningen ist international anerkannt als Spezialistin für die Gestaltung und Restaurierung von Staudenpflanzungen. Seit 2008 betreibt sie mit Gabriella Pape das Planungsbüro, die Gartenschule und das Gartencenter an der Königlichen Gartenakademie in Berlin.

Mehr unter: www.koenigliche-gartenakademie.de und www.mein-traumgarten.de

Quelle: BGL

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